Mitschke-Steuermodell bringt Wachstum und Beschäftigung

20. October 2005

Gutachten bescheinigt positive Effekte - Thesaurierter Gewinn steuerfrei

Börsen-Zeitung, 20.10.2005

Das Steuerreformmodell des Wirtschaftswissenschaftlers Joachim Mitschke hätte schon in der Einführungsphase einen Beschäftigungseffekt von 370 000 Vollarbeitsplätzen und würde das Bruttoinlandsprodukt um 1,1 % steigern. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten des Kölner Ökonomen Clemens Fuest.

Das Gutachten, dessen Ergebnisse der Börsen-Zeitung vorliegen, hat die Neuordnung des Ertragsteuersystems nach dem Mitschke-Modell auf Aufkommens-, Wachstums- und Beschäftigungseffekte hin untersucht. Grundlage der Analyse ist das Steuer-Transfer- Simulationsmodell des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts an der Universität zu Köln. Der Vorschlag Mitschkes unterscheidet eine dreijährige Einführungsphase und eine Endphase. Für beide wurden die Auswirkungen ermittelt. Beim Übergang vom geltenden Steuersystem zur Neuordnung würden in der Einführungsphase lediglich Steuerausfälle von 2 Mrd. Euro entstehen, hat Fuest errechnet. Beim Eintritt in die Endphase käme es zu Steuerausfällen von 13 Mrd. Euro im Vergleich zum heutigen System. Bei dieser Berechnung wurde zunächst unterstellt, dass die Wirtschaft keine Anpassungsreaktionen zeigt. Erst in einem zweiten Schritt untersuchte der Wissenschaftler die Auswirkungen auf Gesamtproduktion und Beschäftigung. Dabei habe sich gezeigt, dass in der so genannten Endphase das Wirtschaftswachstum mit einem Plus von 1,7 % und 540 000 mehr Arbeitsplätzen noch einen stärkeren Effekt zeige als in der Einführungsphase.

Das Mitschke-Modell sieht wie die anderen Steuermodelle, die derzeit im Gespräch sind - Stiftung Marktwirtschaft, Sachverständigenrat, Hessen-Modell zur Abgeltungssteuer oder Kirchhof-Modell - die Senkung der Steuersätze verbunden mit der Streichung von steuerlichen Ausnahmetatbeständen vor. Vorgesehen ist zudem in der dreijährigen Einführungsphase ein Staffeltarif von 15 %, 22 % und 30 % für zu versteuerndes Jahreseinkommen von 3 000/6 000 Euro (Ledige/Verheiratete), 5 000/10 000 Euro sowie Beträge, die darüber liegen. Belastet wird vom höheren Satz der jeweils übersteigende Betrag. In der Endphase sind nur noch zwei Stufen geplant: 20 % für Jahreseinkommen bis 4 000/8 000 Euro und 30 % auf die übersteigenden Beträge. Eingebaut sind zudem Grundfreibeträge von 7 500/15 000 Euro sowie altersabhängig steigende Kinderfreibeträge ab 5 000 Euro. Mitschke will zudem das Ehegattensplitting durch ein Familiensplitting ersetzen. Abweichend zu anderen diskutierten Steuerreformmodellen will Mitschke jedoch nur natürliche Personen belasten. Unternehmensgewinne blieben damit unversteuert, solange diese im Unternehmen verblieben. Die Körperschaftsteuer fiele weg. Erst bei Ausschüttung an die Eigentümer, Gesellschafter oder Aktionäre griffe der Fiskus zu. Die Steuern würden bis zur Entnahme bzw. Ausschüttung gestundet. Mehr Mittel blieben damit im Unternehmen zum Forschen, Investieren und Expandieren. Zudem stiege die Attraktivität des Standorts Deutschland, und die Anfälligkeit für Insolvenzen würde durch eine bessere Kapitalausstattung der Unternehmen verringert, argumentiert der Autor des Reformmodells.

Für die Unternehmen ergäbe sich zudem eine Reihe von weiteren Erleichterungen. Investitionen könnten sofort abgezogen werden, und die Erstellung einer Steuerbilanz entfiele. Das Modell wäre zudem neutral mit Blick auf unternehmerische Entscheidungen zur Gewinnverwendung. Zwischen Investitionen und Ausschüttung gäbe es keine steuerlich motivierte Abwägung mehr.