Monatsarchiv für September 2003

Genial einfache Idee

Thursday, den 4. September 2003

Wie der Ökonom Joachim Mitschke das Steuerrecht entrümpeln will

Von Wilfried Herz, Die Zeit vom 4. September 2003

Die Grundidee ist denkbar einfach: Die Gewinne von Unternehmen bleiben prinzipiell steuerfrei, solange sie im Betrieb bleiben. Erst wenn der Eigentümer das Geld für den eigenen Verbrauch aus dem Unternehmen herausnimmt oder der Gewinn an die Anteilseigner ausgeschüttet wird, greift der Fiskus zu und kassiert Einkommensteuer. Allein mit diesem Kunstgriff in seinem Modell einer neuen Einkommensteuer gelingt es dem Wirtschaftswissenschaftler Joachim Mitschke, eine Vielzahl komplizierter Paragrafen überflüssig zu machen und den Steuerdschungel wesentlich zu lichten.

„Einfachheit und Durchschaubarkeit der Einkommensbesteuerung“ seien „notwendige und nützliche Vorbedingungen ihrer Praktikabilität, indes keine finale Zielsetzung“, erklärt Mitschke, früher Professor für volks- und betriebswirtschaftliches Rechnungswesen und heute im Ruhestand, zur Begründung seines Reformkonzeptes. Die Einfachheit rangiere „hinter den gewichtigeren Zielen der Gleichmäßigkeit, Beschäftigungs- und Investitionsfreundlichkeit, Familien- und Kinderfreundlichkeit sowie der fiskalischen Ergiebigkeit“.

Nach den überschlägigen Berechnungen des Wirtschaftswissenschaftlers würde die von ihm entwickelte Einkommensteuer mit einem im Wesentlichen proportionalen Steuersatz von 30 Prozent dem Staat sogar geringfügig höhere Einnahmen bringen als das gegenwärtige System von Lohnsteuer, Einkommensteuer, Zinsabschlag und Körperschaftsteuer. Dank des niedrigeren Steuertarifs wird nach den Worten des Wissenschaftlers jedoch nicht nur die Massenkaufkraft zunehmen und die erhöhte Binnennachfrage zu einem Anstieg von Produktion und Beschäftigung führen. Auch die Angebotsseite des Arbeitsmarktes werde profitieren: Wenn die Arbeitskraft nicht mehr so stark besteuert wird, so seine These, können sich die Arbeitnehmer mit geringeren Bruttolöhnen zufrieden geben. Mitschke: „Zumindest ist das Besteuerungsargument bei Tarifverhandlungen vom Tisch.“

Wie andere Reformer will auch Mitschke das Steuerrecht von zahlreichen Ausnahmen und Lenkungsnormen befreien, mit denen der Gesetzgeber wirtschafts-, sozial-, bildungs-, wohnungs-, umwelt- und gesundheitspolitische Ziele verfolgt.